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von Quak » Sonntag 11. September 2011, 11:51
Hallo,
also erstens mal ist dein Becken auch ohne Wasser immer noch ein Aquarium und kein Terrarium. Ein richtiges Terrarium setzt eine entsprechende Belüftung voraus, die Zugluft vermeidet, einen geregelten Luftaustausch ermöglicht, das Einhalten einer bestimmten Luftfeuchtigkeit sicherstellt und die Schaffung verschiedener Klimazonen ermöglicht. Nichts davon ist bei dir gegeben.
Das Wasserbecken ist für so ein winziges Becken im Verhältnis(!) schlicht zu groß und außerdem falsch platziert. Das Tier ist eine Kröte und kein Wasserfrosch und es möchte auch nicht ständig unfreiwilllig im Wasserbecken landen, wenn es die Scheiben entlanghoppelt. In einem artgerecht dimensionierten Terrarium ist die Platzierung und die Größe des Wasserbeckens relativ egal, da die Tiere dort genügend Ausweichmöglichkeiten haben, hier aber sollte man ein deutlich kleineres Badegefäß verwenden und dieses von den Scheiben wegrücken, sodass dem Tier zumindest ein trockener Umlauf möglich ist.
Über Kokoshumus als Subtrat kann man streiten. Ich persönlich bevorzuge Laub, weil die Tiere mit dem doch recht künstlichen Kokoshumus regelmäßig aussehen wie paniert. Bei Laub und Waldbodenhumus als Bodengrund hat man den Vorteil, dass anfallender Kot, Häutungsreste usw. von den zahlreichen dort vorkommenden Destruenten schnell abgebaut werden, während sie in dem relativ sterilen Kokoshumus vor sich hinschimmeln.
In den ersten 2-3 Wochen würde ich allerdings Küchenpapier o.ä. statt einem Bodengrund verwenden, um den anfallenden Kot regelmäßig auf Wurmbefall und das Tier selbst beispielsweise auf Hautrötungen usw. überprüfen zu können (Stichwort Quarantäne), ohne den Bodengrund durchwühlen oder das Tier handeln zu müssen und damit in der sensiblen Eingewöhnungsphase zusätzlich noch zu stressen.
Dein "Versteck" nimmt dem Tier viel von der ja eh schon viel zu gering bemessenen Bodenfläche weg. Hier wäre es sicher sinnvoller, eine Art Etage zu installieren, die unten als Versteck und oben als trockener Ruheplatz dienen kann. Damit ließe sich dann auch noch zusätzlicher Raum für das Tier schaffen.
Dazu kommt, dass bei dir alle 4 Wände aus Glas bestehen. Abgesehen davon, dass Glas vor allem auf der Flucht nicht als Hindernis erkannt wird, muss sich die Kröte damit auf einem rundum deckungsfreien Präsentierteller aufhalten und wird dazu noch von oben versorgt. Werden Rückwand und Seitenwände dagegen verkleidet und das Becken mit einer ordentlichen Abdeckung versehen, bieten bereits diese dem Tier eine gewisse Deckung und auch Rückzugsmöglichkeiten.
Bei einem oben komplett offenen Becken erzeugt zudem die Lampe bei der üblichen Raumtemperatur nur im Strahlungskegel die von dir angegebene Temperatur. Gleichzeitig ist die Luftfeuchtigkeit in dem Becken aufgrund der fehlenden Abdeckung relativ gering, entspechend stark wird das Wasser, das feuchte Subtrat und auch das Tier nach einem Bad durch die Verdunstung abgekühlt (Stichwort Verdunstungskälte). Eine artgerechte Klimatisierung setzt aber voraus, dass das komplette Becken und nicht nur ein Teil davon ausreichend und damit tropisch temperiert wird, sonst geht es dem Tier wie den New Yorkern Obdachlosen, die sich winters an brennenden Mülltonnen wärmen müssen.
Zur Frage der Beckengröße mal ein kleines Rechenexperiment: Für ein Pärchen in der Regel maximal 5cm großer Goldbaumsteiger (D. auratus), also einer Art, die ihr Wohlbefinden regelmäßig dadurch belegt, dass sie sich im Terrarium fortpflanzt, wird eine Terrariengröße von wenigstens 40cm x 40cm (häufig deutlich mehr) empfohlen, also mindestens 8x die maximale Körperlänge des Tieres in Länge und Breite. Übertragen auf eine 17cm lange Agakröte (und diese Übertragung ist zuläßig, da es sich bei Agakröten im Gegensatz zu beispielsweise Schmuckhornfröschen nicht um sit-and-wait-Prädatoren handelt) wären wir damit bei einer Grundfläche von 136cm x 136cm, also rund 1,8qm. Dabei ist dann noch nicht berücksichtigt, dass sich Baumsteigerfrösche in der Regel in einem dreidimensionalen Raum bewegen, also auch noch die Höhe des Beckens nutzen, Agakröten sich aber nur auf der Bodenfläche aufhalten können.
Die berechnete Raumanforderung läßt sich im übrigen nicht dadurch kurzerhand halbieren, indem man statt 2 Tieren nur eines hält, schließlich nutzt bei einer gemeinschaftlichen Haltung von 2 Tiere nicht jedes jeweils nur 50% des Raumes, sondern beide Tiere nutzen jedes für sich den vorgegebenen Raum zu 100%. Was dein Hinweis auf Ironie an dieser Stelle soll, erschließt sich mir im übrigen nicht.
Größenangaben zu Haltungsbecken sollte man im übrigen selbstverständlich immer kritisch hinterfragen. Beispielsweise wie alt sind die Angaben bzw. wie alt ist die Quelle, auf der sie ursprünglich stammen? Wer in ein Terraristik-Handbuch aus den 70ern schaut, wird dort sehr wahrscheinlich andere Angaben finden als in einem Buch, das erst in den letzten Jahren auf den Markt gekommen ist. Das hat damit zu tun, dass mit dem Wissen um die Tiere auch das Wissen um eine tiergerechere Haltung gewachsen ist. Außerdem sollte man gerade bei Agakröten auch bedenken, dass ein Halter, der Tiere mit um die 10cm hält, höchstwahrscheinlich andere Erfahrungen bezüglich des Platzbedarfes seiner Tiere macht und dann eventuell auch publiziert als ein Halter mit 20cm großen Tieren. Wie dem auch sei, ein möglichst großes Tier kaufen und sich dann an den geringsten Mindestmaßen orientieren, die man im Netz finden kann, macht doch nun wirklich keinen Sinn.
Stell dir vor, du nimmst die Hände auf den Rücken und rennst mit ein paar Metern Anlauf mit vorgestrecktem Kopf gegen eine verschlossene Glastür. Was schätzt du, nach wievielen Versuchen bleibts du ruhig sitzen? Und was meinst du, woran liegt es dann, dass du ruhig sitzen bleibst? Allgemeines Wohlbefinden? Oder eher die Einsicht, dass so ein Verhalten mit extremen Schmerzen verbunden ist, die zudem völlig sinnlos sind, da sich die Glastüre auf diesem Weg nicht öffenen läßt?
Kröten brauchen da sicher ein paar Versuche mehr als Menschen, aber im Gegensatz zu manchen Raniden, Wasseragamen oder Basilisken lernen sie zumindest schneller, als die Schnauze matschig wird. Im Bezug auf die Einschätzung ihres tatsächlichen Platzbedarfs hat ihnen diese Lernfähigkeit allerdings bislang leider mehr geschadet als geholfen.
Ach ja, ich hab die Art zwar mal nachgezogen, trotzdem bin ich immer für Tipps dankbar, die mir helfen, die Situation meiner Tiere und damit meine Haltunsgerfolge zu verbessern. Angesichts der Tatsache, dass diese Art wie so viele Arten, die hier im Forum behandelt werden, beispielsweise noch weit davon entfernt ist, zuverlässig auf natürlichem Wege im Terrarium nachgezüchtet werden zu können (und das gehört zu einer artgerechten Haltung ja sicher auch dazu), klingt ein Satz wie "ich weiß was die Tiere brauchen" [sic!] schon ziemlich kurios.
Grüße
P.S.: Bei all dem bitte beachten, die aufgeführten Optimierungsvorschläge sollten nur dazu dienen, die aktuelle Notlage des Tieres etwas zu verbessern, bis eine artgerechtere Haltungsform in einem ausreichend dimensionierten Becken möglich ist. Sie sind kein Vorschlag, wie man das Becken für eine dauerhafte Haltung artgerecht umrüsten kann.
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Quak am Sonntag 11. September 2011, 13:02, insgesamt 2-mal geändert.